Neue Krimis

Mandarine, Morphinisten und Gschaftlhuber

Thomas Klingenmaier, veröffentlicht am 05.05.2008
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Tran-Nhut: Das schwarze Pulver von Meister Hou
(Unionsverlag, Zürich, 319 Seiten, 19,90 Euro)


  Von Thomas Klingenmaier

 
Reiz der Exotik? Bitte schön. Tran-Nhuts Krimi "Das schwarze Pulver von Meister Hou" spielt im 17. Jahrhundert im Norden Vietnams, der Mandarin Tan bewegt sich in einer Welt fremder Rangordnungen und Rituale. Er bekommt es mit Zeugen eines Schiffsüberfalls zu tun, die auferstandene Tote beschuldigen. Aber es ist nicht so sehr das Fremde, das uns an Krimis aus anderen Kulturen anzieht. Es ist die verbindende Kraft des analytischen Verstands, das Universale kriminalistischer Recherche. In Tans Ermittlungen steckt die hehre Vision vom unteilbar Gemeinsamen der Gesellschaftsideale. Tan strebt nach der verifizierbaren Wahrheit, nach Faktenbeurteilung unabhängig vom sozialen Rang der Betroffenen. Seine Erfinderinnen, die Schwestern Thanh-Van und Kim Tran-Nhut, wurden 1962 und 1963 in Vietnam geboren und sind in den USA und Frankreich aufgewachsen. "Das schwarze Pulver von Meister Hou", die erste deutsche Veröffentlichung, ist der dritte Roman ihrer Tan-Serie. Solche Versetzer sind leider üblich geworden. Der vermeintlich attraktivste Band soll als Lokomotive dienen.

Friedrich Ani: Wer tötet, handelt
(dtv TB, 172 Seiten, 7,95 Euro)

Friedrich 
Ani
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Seiner Ankündigung, keine Krimis mehr zu schreiben, hat Friedrich Ani gleich zwei Krimiserien folgen lassen: eine um den Kommissar Polonius Fischer und eine um Jonas Vogel, genannt "der Seher", der nach einem Unfall, bei dem er das Augenlicht verloren hat, den Polizeidienst quittieren musste. "Wer tötet, handelt" ist der zweite Roman um Vogel, der seinen früheren Beruf als nicht ablegbare Berufung behandelt. Wie immer lässt Ani die Figuren in Beichtsituationen ausführlich zu Wort kommen, wie immer werden sie phasenweise zu bloßen Lautsprechern, wenn Ani von Einsamkeit, Verlorenheit und Entfremdung predigt. Der pathetische Ton bleibt ein Wagnis. In "Wer tötet, handelt" bricht er öfter als gewohnt, scheint das Handeln der Figuren häufiger bloße Puppenspielerwillkür des Autors. Aber auch dieser Roman um eine Geiselnahme lebt vom Gefühl der Dringlichkeit, als wolle Ani Krimi um Krimi die reihenweise vor die Hunde gehenden Leben vor ihrer achtlosen medialen Verwurstung in Polizeimeldungen und doofen TV-Krimiformaten retten.

Matti Rönkä: Bruderland
(Grafit Verlag, Dortmund. 222 Seiten, 17,90 Euro

Bruderland
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Doch, es gibt was Schönes, Reines, Weißes in Matti Rönkäs "Bruderland", eine Schneeflocke, gleich im ersten Satz. Dummerweise landet sie auf dem Auge eines toten Jungen, womit das Idyllische sich für den Rest des Romans erledigt hätte. Wenn der finnische Privatdetektiv und vielseitige Gschaftlhuber Viktor Kärppä beispielsweise durch eine schöne Landschaft fährt, hat er mit den vielen Schlaglöchern auf der miesen Straße zu kämpfen. Kärppä bewegt sich zwischen den Kulturen Finnlands, der alten Sowjetunion und des neuen Russlands, zwischen den Staaten, zwischen Legalität und Illegalität. Rönkä schreibt Krimis nicht als gemütliche Fiktionsbegrünung der privaten Schallschutzmauern zwischen Leser und unangenehmer Realität, sondern als brausende Ungemütlichkeitseinbrüche, die sehr viel mehr vom neuen Europa der Gier vermitteln als Gipfeltreffenreden der Politiker.

Christina Bacher, Ulrich Noller, Dieter Paul Rudolph (Hrsg.): Krimijahrbuch 2008
(Nordpark TB, Wuppertal. 298 Seiten, 12 Euro

Krimijahrbuch 2008
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Wie und warum liest man Krimis, wie beurteilt man sie, was kann man am tausendsten Krimi noch interessant finden? Diese Fragen erörterten Krimileser früher beim Plausch in der Buchhandlung oder mit Freunden. Heute wird im Internet diskutiert. Dort geht's in vielen Foren um Wohlfühleffekte. Literatur wird zum Softdrink und nach dem Zuckergehalt beurteilt: "Der Held war mir sympathisch" ist der Empfehlungstrumpf. Der Krimifaszinierte Dieter Paul Rudolph versucht diesem vielleicht doch etwas naiven Konsum mit seinem fast täglich aktualisierten Krimiblog "Watching The Detectives" (auf www.hinternet.de) und als Herausgeber eines Krimijahrbuchs problematisierungsfreudigere Lesarten entgegenzustellen. Im "Krimijahrbuch 2008" finden sich Autorenporträts, Interviews, Überblicksversuche und historische Erkundungen. Und Pessimismus: "Inhaltliche Konzepte", heißt es einmal zu den Programmen deutscher Verlage, "sind kaum noch zu erkennen."

Frank Göhre: Mo - Der Lebensroman des Friedrich Glauser
(Pendragon Verlag, Bielefeld. 237 Seiten, 19,90 Euro

Friedrich Glauser
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Auf den Schweizer Friedrich Glauser (1896-1938) berufen sich deutsche Krimiautoren gern. Glauser hat nicht nur gute Romane geschrieben, er hat die Notwendigkeit des Krimischreibens bezeugt. Der morphiumsüchtige und immer wieder psychiatrisierte Glauser hat sich mit Wachtmeister Studer eine bessere Vaterfigur erfunden, als das Leben sie ihm liefern konnte. Und er hat mit den Ermittlungen Studers, mit der Deutung und Ordnung des anfangs Verwirrenden und Unklaren, die Kontrollierbarkeit einer scheinbar unter jedem Zugriff wegbrechenden Welt probegelebt. Frank Göhres "Mo - Der Lebensroman des Friedrich Glauser" ist eine aus Erfindung und Tatsachen gemischte Fiktion, die hinter den beherrschten Texten den ungeordneten Glauser sichtbar machen will. In Splittern und Momentaufnahmen, ohne beruhigend erklärende Erzählbögen, führt Göhre uns vor, wie ein Leben schiefgeht. Das Brüchige, Nervöse, Unzusammenhängende kann "Mo" vermitteln. Das Rätsel, wie dieser Glauser seine Bücher schreiben konnte, wird nur noch größer.
 

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