Willkommen _ANONYMOUS ! ::
Mittwoch, 12. März 2008 12:36
Home Suche Über uns Impressum Kontakt Mediadaten
suchen:
© 2007 Titel-Magazin
Wettbewerb
KRITIKER GESUCHT
Neue Stimmen braucht das Land.
Wettbewerb für Literaturkritik
Highlight
» Clemens Meyer: Die Nacht, die Lichter (10. Mar 2008)

Aktuelle Kolumne
» Die Einflüsterer (10. Mar 2008)

Buch der Woche
» Philip Roth: Exit Ghost (25. Feb 2008)

Film der Woche
» A Trip to Asia - Die Suche nach dem Einklang (06. Mar 2008)

CD der Woche
» 22-Pistepirkko: (Well You Know...) Stuff Is Like We Yeah! (06. Mar 2008)

Titel-Menü

Fiction
· Romane
· Kurzprosa
· Lyrik
· Krimi
· Kinder&Jugend
· Hörbuch/spiel
· Klassiker

Non Fiction
· Biographien
· Kunst&Kultur
· Politik&Gesellschaft
· Science

Specials
· Titel-Podcast
· Tretters Wochenrückblick
· Autorenliste
· Porträts&Interviews
· Themen
· Taschenbuch
· Essay

Primärtexte
· Prosa
· Auszug
· Poesie
· Gesucht

Spektrum
· Crossover
· Musik
· rothschild's cd-tipp
· Film
· Götzendienste
Service-Menü
· Links
· Rubriken
· Weiterempfehlen
· Mitglieder
· Buchvorschau
· Archiv
Unsere News für Sie
Newsletter
Anmelden
Abmelden
Powered byKBX7
Anmeldung
 





Registrierung
Online
Es sind 118 Besucher und 1 Mitglied online..

Anmeldung

Partner




















[Krimi]
» Tran-Nhut: Das schwarze Pulver von Meister Hou
 
geschrieben von: Dieter Paul Rudolph
druckerfreundliche Ansicht Beitrag per E-Mail versenden
Samstag ist Krimitag

Flucht in die Gegenwart


Das schwarze Pulver von Meister Hou, als Buchstaben kredenzt, erzählt uns in das Vietnam des siebzehnten Jahrhunderts, die Kunst der Schwestern Tran-Nhut lässt uns im Vietnam des zwanzigsten ernüchtern. Kriminalliteratur für beide Gehirnhälften.


Zwei Schwestern also, Thanh-Van und Kim Tran-Nhut, als Kinder von Vietnam in die USA übersiedelt, bald darauf nach Frankreich, wo seit 1999 ihre Kriminalromane um den Mandarin Tân erscheinen, der dritte nun endlich auch auf Deutsch. Ein exotisch-historisches Setting, ein Richter samt Gehilfen, mehrere Mordfälle: das klingt nach Robert van Gulik, das sind die Richter-Di-Geschichten aus dem „alten“ China, aber anders und letztlich überzeugender.
Van Guliks Konzept ist so genial wie problematisch. In den Richter-Di-Romanen wird eine uns fremde Weltanschauung ins wohl vertraute Prokrustes-Bett des Whodunit gezwängt und die nicht nur das Genre prägende deduktive Logik des Westens überwältigt das scheinbar Irrationale des räumlich wie geschichtlich so fernen Ostens. Ein clash of cultures gewissermaßen, mit dem von Anfang an feststehenden Gewinner. Di mag an Geister glauben und den Kaiser für ein göttliches Wesen halten, er unterwirft sich den Dogmen des Absolutismus und der Brutalität seiner Epoche – o­n the job indes agiert er als ein in die falsche Zeit geworfenes Kind der europäischen Aufklärung.
Das ist, wie gesagt, genial, weil es unserem Wunsch nach Exotik entgegenkommt und einen Bildungsmehrwert draufpackt; und problematisch, weil es die Dinge zu unserer Zufriedenheit als Krimikonsumenten und Individuen der westlichen Moderne auflöst. Van Guliks Romane sind nett (und, nebenbei, mäßig geschrieben und übersetzt) oder hanebüchen, ganz nach Gusto.
Das schwarze Pulver von Meister Hou folgt in vielem den Gulikschen Leitmotiven – und weist doch entscheidend über sie hinaus. Es beginnt mit einem Piratenstück: Seltsam leblose Wesen – Tote! – überfallen eine Dschunke und berauben sie, zwei Frauen bleiben tot zurück. Während Tân die Geistererscheinung nicht in Zweifel zieht und sich an die Untersuchung macht, wird der alte und wolllüstige Adlige Diêm ermordet. Auch hier scheinen übernatürliche Kräfte im Spiel zu sein, ebenso beim mysteriösen, schaurig inszenierten Diebstahl von Grabsteinen. Nur die dubiosen Geschäftsgebaren des für Im- und Export zuständigen Eunuchen Clemens sind ganz und gar weltlich. Dem derart beschäftigten Tân macht zudem ein schiffbrüchiger französischer Jesuit Sorgen, den er freundlich aufgenommen hat, dessen Benehmen jedoch merkwürdig ist und im Verlauf der Handlung immer merkwürdiger wird.
Diese Handlung vollbringt nun das, was sie vollbringen soll. Eine sehr präzise, von Adjektiven dominierte Sprache erbaut die übliche eskapistische Welt, exotisch und fremd, aber niemals von der lesererfahrungsgemäß nahe liegenden kitschigen Blumigkeit. Wir erfahren eine Menge über Naturheilkunde und Alchimie, beteiligen uns an Debatten über die Unvereinbarkeit von Konfuzianismus und Taoismus (kennen wir schon aus den Di-Romanen), sinken in die Abgründe eines verwirrten Jesuiten und erhalten nebenbei eine Einführung in die Bekleidungsmode der Zeit. Ein Lektürevergnügen, und wem das reicht, der braucht jetzt nicht mehr weiterzulesen.

Doch je genauer und eindringlicher diese Beschreibung des alten Kaiserreichs Dai Viêt gerät, desto deutlicher zeichnen sich unter dem bunten und sprachlich üppigen Gewebe die Umrisse eines anderen, uns geschichtlich sehr viel näheren Vietnam ab, die opulente Draperie wird zum Leichentuch. Jede Person steht für eine Idee, Frau Eisenhut beispielsweise, die Dame mit den biegsamen Zöpfen, eine junge Witwe, gleichermaßen Unterdrückerin und Wohltäterin, brutale Gefängnisaufseherin und Befreierin in einer Person oder, wie es ihr Name nahe legt, in geringer Dosierung heilsam, in zu hoher Verderben bringend. Nie wurde uns Kommunismus prägnanter erklärt.
Auch die Ehe der betörend schönen Madame Libelle mit dem krötigen Eunuchen ist mehr als ein delikates Figurenarrangement. Hier verbünden sich Ästhetik und Geschäftssinn, beide kalt und berechnend, moralisch tot. Warum jener zu Tode kommende Graf ausgerechnet Diêm heißen MUSS, finde ein jeder durch Googeln heraus. Und auch das visionäre Wunschbild eines gedeihlichen Ideenaustauschs zwischen Vietnam und den ins Land drängenden Fremdlingen aus Europa wird personalisiert, nimmt aber kein gutes Ende und die Kolonialisierung ihren Lauf.

Wie so die handelnden Personen noch eine andere Geschichte erzählen, ohne die zu verraten, für die sie vordergründig erschaffen wurden, das ist die eigentliche Kunst des Buches. Und der zur Flucht in das üppige Unverfängliche verflossener Zeiten geneigte Leser muss, um dies zu erkennen, andere, weniger eskapistisch gesonnene Teile seines Gehirns aktivieren. Wer sich im China des Richters Di verloren hat, findet im Vietnam des Mandarins Tân den Ausgang in die Wirklichkeit.

Dieter Paul Rudolph


Tran-Nhut: Das schwarze Pulver von Meister Hou. (La poudre noire de Maître Hou, 2002) Ein Kriminalfall für Mandarin Tân. Unionsverlag metro 2008. Aus dem Französischen von Michael Kleeberg. 319 Seiten. 19,90 Euro.
 
verwandte Links
· mehr zu Fiction
· Beiträge von Dieter Paul Rudolph


meistgelesener Beitrag in Fiction:
Till Lindemann: Messer. Gedichte und Fotos


Anzeige
Es geht
Archiv

· März 2008
· Februar 2008
· Januar 2008
· Dezember 2007
· November 2007
· Oktober 2007
· September 2007
· August 2007
· Juli 2007
neue Beiträge
» Clemens Meyer: Die Nacht, die Lichter (10. Mar 2008)

» Audio: Mathias Tretters Wochenrückblick (KW 11) (10. Mar 2008)

» Kertész, Esterházy, Schulze: Eine, zwei... (10. Mar 2008)

» Audio: Der Podcast des Titel-Magazins (4) (10. Mar 2008)

» Alex Robinson: Ausgetrickst (10. Mar 2008)

» Joan Margarit: Joana und andere Gedichte (10. Mar 2008)

» Die Einflüsterer (10. Mar 2008)

» Tran-Nhut: Das schwarze Pulver von Meister Hou (08. Mar 2008)

» Tom Rob Smith: Kind 44 (08. Mar 2008)

» Santiago Roncagliolo: Roter April (08. Mar 2008)

» Walter Jens wird 85 (08. Mar 2008)

» 22-Pistepirkko: (Well You Know...) Stuff Is Like We Yeah! (06. Mar 2008)

Spiegel-Online
»   Alarmierender Bericht: Geschlechtskrankheiten grassieren unter US-Teenagern

»   Umstrittene Entscheidung: Bundeskabinett beschließt Reform der Erbschaftsteuer

»   Großbritannien: Super-Polizist stirbt unter mysteriösen Umständen

»   Heißer Player: Funkenflug bei Japan-iPods

»   SPD-Ängste: Beck in der Scharping-Falle

»   Kurzpässe: Rost nicht zur EM, Gefängnisstrafe für Dresden-Anhänger

»   Betrug am Mount Everest: "Es ist ein lebensgefährliches Spiel"

»   Umstrittene Verhörmethode: Waterboarding bleibt in den USA erlaubt - Demokraten gescheitert

art Kunstmagazin
»   Kunstboykott: Liechtenstein sagt Biedermeier-Ausstellung ab

»   Extravagante Schau in London: Das "Mars-Museum für irdische Kunst"

»   Matratzen-Concords heilige Ärzte: Das Studienprojekt in der Katharinenkirche

»   Auch Kunsthistoriker können irren: Die verkannte Malerei des 19. Jahrhunderts

»   Macht Karaoke glücklich? Eine Ausstellung zum Thema Glück

»   Nackte Haut und hochkarätige Kunst: Ausstellung eines Allround-Talents

Börsenblatt News
»   LV Saarland zieht um

»   Liebe zum wissenschaftlichen Buch

»   Branchenwiki geht online

»   Werbung: Besuchen Sie uns auf der Leipziger Buchmesse

»   Starker Start für die Buchbranche

»   Letzte Filiale schließt